Der Online-Artikel von Jonas Vogt, erschienen am 20. August 2020 in der österreichischen Tageszeitung "Der Standard" mit dem Titel "Tagada im Prater: Ein Dorfplatz, der sich dreht" beschreibt sehr eindrucksvoll das einzigartige Flair von diesem Ort mitten in Wien. Auch ich (Webby, Macher dieser Homepage) bin vor über 25 Jahren vom Tagada im Prater in den Bann gezogen worden. Und das obwohl ich davor überhaupt nichts mit der Materie Prater oder Vergnügungspark zu tun hatte. Auch heute fahre ich bei Gelegenheit noch hin und wieder einmal mit und es ist immer noch schön. Hier nun dieser tolle Beitrag zum Nachlesen (für alle die es im Standard nicht lesen konnten)...
"Das" Tagada steht im Wiener Prater.
Tagada im Prater: Ein Dorfplatz, der sich dreht
"Herzlich willkommen. Schön, dass ihr da seid!" Die Stimme aus dem Lautsprecher begrüßt die knapp 25 Fahrgäste, die im Wiener Prater erwartungsvoll auf rosa Plastikbänken sitzen und warten, dass sich der Boden unter ihnen zu drehen beginnt. Und dann verweist die Stimme auf eine Regel, die neben dem Hupverbot die vielleicht am häufigsten gebrochene in Wien sein könnte: "Bitte sitzen bleiben und nicht aufstehen." Das ist eh gut gemeint. Aber auf dem Tagada sitzen bleiben, das geht eigentlich nicht.
Das Tagada ist eine Form von Karussell, die ihren Ursprung im Italien der 70er-Jahre hat. Man kann es sich wie einen großen Suppenteller vorstellen, der sich – leicht gekippt – zu lauter Musik um seinen eigenen Schwerpunkt dreht. Die Fahrgäste, die ungesichert am Rand sitzen, werden von der Fliehkraft in die rosa Bänke gedrückt. Zwischendurch wechselt der Suppenteller auch mal die Richtung oder wippt kurz wild herum, um die Fahrgäste durchzuschütteln. Vier Minuten und zehn Sekunden dauert ein Durchgang.
Das Tagada ist eine Form von Karussell, die ihren Ursprung im Italien der 70er-Jahre hat. Man kann es sich wie einen großen Suppenteller vorstellen, der sich – leicht gekippt – zu lauter Musik um seinen eigenen Schwerpunkt dreht. Die Fahrgäste, die ungesichert am Rand sitzen, werden von der Fliehkraft in die rosa Bänke gedrückt. Zwischendurch wechselt der Suppenteller auch mal die Richtung oder wippt kurz wild herum, um die Fahrgäste durchzuschütteln. Vier Minuten und zehn Sekunden dauert ein Durchgang.
In Österreich gibt es circa zehn dieser Geräte, die meisten ziehen mit den Kirtagen durch das Land. Das berühmteste und einzig stationäre, "das" Tagada, das steht im Prater. Es hat eine fixe Fangemeinde. Verschiedene Wiener Bands haben es in ihren Songs verewigt. Zum Beispiel 2018 die Band Euroteuro ("Es dreht sich, überall sind Lichter. Und überall sind wir") und erst kürzlich die Musikerin Pippa, mit dem programmatischen Refrain "Ich fahr Tagada. Tagada! Tagada! Tagada!".
Das Tagada ist nicht nur Anarchie, es gibt ein paar Faustregeln. Zum Beispiel: Mut wird belohnt. Die Anfänger bleiben kreischend am Rand sitzen. Die Profis stehen während der Fahrt auf, machen Tanzbewegungen, lehnen sich gen Mitte und biegen sich wie Bambus im Wind, um die Fliehkräfte auszugleichen. Man sieht schnell, wer das hier öfter macht und wer nicht. Und das soll man auch sehen. Das Tagada ist eine Bühne, und die Profis zeigen, was sie können. Das Karussell kippt während der Fahrt nicht zufällig nach vorn, zum offenen Platz hin, wo die Zuschauer stehen.
Man sieht sofort, wer öfter auf dem Tagada mitfährt und wer nicht. Das soll man auch sehen: Es ist eine wirbelnde Bühne.
Abends wird es wild
Tagsüber schläft das Tagada. Es öffnet zwar prinzipiell um 12.00 Uhr, aber am Nachmittag, wenn hauptsächlich Familien durch den Prater ziehen, wartet es eher nur auf seinen großen Auftritt.
Der kommt, sobald sich der Tag dem Ende neigt. Plötzlich ist der Platz zwischen Tagada, Blumenrad und "Break Dance" von Gruppen von Jugendlichen gefüllt. Sie hängen herum, rauchen und checken sich gegenseitig ab. Quasi ein Dorfplatz mitten in Wien. Es wird gelacht, es werden Händchen gehalten, es wird geschmust (teilweise). Der ganze Platz ist von einem wilden Gemisch aus der Musik von verschiedenen Attraktionen erfüllt. Es ist chaotisch, dröhnend, lustig und anstrengend, wie der Prater an guten Tagen halt sein kann.
Der kommt, sobald sich der Tag dem Ende neigt. Plötzlich ist der Platz zwischen Tagada, Blumenrad und "Break Dance" von Gruppen von Jugendlichen gefüllt. Sie hängen herum, rauchen und checken sich gegenseitig ab. Quasi ein Dorfplatz mitten in Wien. Es wird gelacht, es werden Händchen gehalten, es wird geschmust (teilweise). Der ganze Platz ist von einem wilden Gemisch aus der Musik von verschiedenen Attraktionen erfüllt. Es ist chaotisch, dröhnend, lustig und anstrengend, wie der Prater an guten Tagen halt sein kann.
Tja.
Die Jugendlichen sind nicht zufällig hier, es ist ihr Treffpunkt. Viele machen eine Fahrt, hängen kurz herum und stellen sich gleich für die nächste an. "Wir sind drei, vier Mal die Woche hier", sagt Sarah. Die 15-Jährige trägt ein Nirvana-Shirt und hat an diesem Abend schon mehrere Runden auf dem Tagada hinter sich. "Wir haben hier auch schon eine Menge Freunde gefunden." Das Gleichgewicht zu halten sei das Schwerste, sagt Kai, der daneben steht und mit seinen grünen Haaren auch während der Fahrt gut erkennbar ist. "An einem sehr guten Abend machen wir auch mal zehn Fahrten." Damit sich das auch finanziell ausgeht, haben die Betreiber eine Art Stempelkarte eingeführt. Die kostet 25 Euro und gilt für elf Fahrten, normalerweise zahlt man für eine Fahrt vier Euro.
Für Stammkunden gibt es Mengenrabatt.
Seit 1988 im Prater
Das Tagada steht seit 1988 im Prater. Die Eltern der Jugendlichen beim Tagada könnten dort also schon genauso gelacht, geraucht oder geschmust haben. Das Karussell hat mehrere Neubemalungen hinter sich: Ursprünglich war es in einem Rot gehalten, seit Mitte der Nullerjahre leuchtet es in seinem heutigen, charakteristischen Pink. Auf der einen Seite wirkt das Tagada wie aus der Zeit gefallen: Figuren wie Elvis Presley und Marilyn Monroe schmücken das Karussell. Als die beiden starben, war wahrscheinlich noch keiner der heutigen Fahrgäste am Leben. Und dann ist das Karussell wieder hochmodern: Die Jugendlichen geben den Betreibern Feedback, wünschen sich Musik. Deutschrap-Stars wie Raf Camora oder Apache 207 dröhnen genauso aus den Boxen wie die Titelmusik von Heidi oder aktuelle Hits wie das schlagereske Marie von Alle Achtung. Man kann sich mittlerweile eine App herunterladen, um die Musik auch zu Hause zu hören.
"Bitte sitzen bleiben, nicht aufstehen!" Die von den Tagada-Rekommandeuren ausgegebene Regel dient vor allem dazu, ignoriert zu werden.
Zweites Zuhause
"Es ist einfach ein Kultkarussell", sagt Thomas Sittler. Das muss der 42-Jährige wahrscheinlich auch sagen, schließlich betreibt seine Familie das Tagada seit 1993. "Es macht Spaß, und auf dem Tagada kann man sich auch präsentieren, was in gewissen Phasen des Lebens wichtig ist." Die Jugendlichen würden, auch aufgrund der günstigen Mehrfahrtenkarte, nur 20 bis 30 Prozent seines Geschäfts ausmachen. Aber trotzdem sind sie natürlich wichtig, ohne sie wäre das Tagada nicht dasselbe. "Für viele dieser Jugendlichen sind wir quasi ein zweites Zuhause", sagt Sittler. Vor allem für die, die aus schwierigen Familien kommen, wenig Platz zu Hause haben. "Bei uns geht es schon um Freiheit. Aber wir passen natürlich auch auf die Jugendlichen auf." Sittler wohnt direkt hinter dem Tagada, das Gelände ist videoüberwacht.
Der Prater im Allgemeinen und das Tagada im Speziellen ist einer dieser Orte Wiens, wo die soziale Herkunft ein bisschen egaler ist als woanders. Wenn sich die Metallstangen schließen und die Fahrt beginnt, sitzen junge Menschen in sehr knappen Shorts neben jungen Menschen im Slipknot-T-Shirt, die neben sehr jungen Menschen mit Kopftuch sitzen. Das Tagada ist dann ein großer Gleichmacher, der wie in einer großen Zentrifuge für vier Minuten alles zu einem großen Ganzen mischt. Vor der Fliehkraft sind alle gleich, und das Lehrerkind kreischt auch nicht anders als das der Reinigungskraft.
Unterm Strich ist das Tagada ein buntes, knalliges Karussell.
Man sollte aber nicht den Fehler machen, das Ganze mit zu viel Bedeutung aufzuladen. Unterm Strich ist das Tagada ein buntes, knalliges Karussell, das vor allem dazu da ist, vier Minuten lang das Adrenalin hinaufzutreiben, und das seit über 30 Jahren. Es dreht sich, überall sind Lichter, und überall sind Menschen. "Es macht einfach Spaß", sagt Sarah. Hat der Profi einen Tipp für blutige Anfänger? Was sollte man nicht falsch machen auf dem Tagada? "Nicht dorthin setzen, wo viele Menschen sind. Die fallen sonst auf einen drauf."
Hinweis: Dieser Beitrag stammt aus "Der Standard" von Jonas Vogt (20. August 2020), alle Bilder sind von Christian Fischer, geknipst am Tagada der Firma Sittler im Wiener Prater!
Seit über 30 Jahren steht das Tagada im Wiener Wurstelprater. Es ist nicht nur ein Karussell, sondern auch ein sozialer Ort!
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